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Zeigt uns Covid-19, wie wir in Zukunft arbeiten?

Im Gespräch mit Prof. Dr. Werner Eichhorst, Teamleiter am Institute  of Labor Economics in Bonn und Professor für Arbeitsmarktpolitik an  der Universität Bremen.

Foto: Aurubis: Prof. Dr. Werner Eichhorst

Prof. Dr. Werner Eichhorst ist seit Juli 2005 am Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA), seit Januar 2017 als Koordinator für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in Europa. Seit November 2017 ist er Honorarprofessor für europäische und internationale Arbeitsmarktpolitik an der Universität Bremen und mit dem Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik SOCIUM assoziiert. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören u. a. die international vergleichende Analyse von Institutionen und der Entwicklung von Arbeitsmärkten, der Vergleich von beschäftigungspolitischen Strategien und Reformprozessen sowie die Zukunft der Arbeit und der Wandel der Arbeitswelt.

Was verbirgt sich hinter dem  Begriff „New Work“?

Der Begriff beschreibt den Versuch von Firmen, innovativer und produktiver zu werden, vereinbart mit einer größeren Gruppenautonomie und Selbstverwirklichung der Beschäftigten. In der Praxis bedeutet das meist ein „agiles“ Arbeiten, das im Vergleich zum klassischen Verständnis flexibler ist mit Blick auf Strukturen und Hierarchien, Arbeitszeit und -ort, teilweise aber auch auf Vergütungs- und Beteiligungsformen.


Hat die Covid-19-Pandemie diese  Entwicklung befördert?

Natürlich gab es einen Trend zur Nutzung von Homeoffice und zur Digitalisierung der Kommunikation. Dies war notwendig, um überhaupt eine kontinuierliche Beschäftigung sicherzustellen.

Unsere Befragungen zeigen auch, dass Unternehmen wie Arbeitnehmer meist gut damit klargekommen sind. Für eine Aussage, ob die Pandemie einen dauerhaften Effekt auf Geschäftsmodelle und Erwerbsformen oder gar den Strukturwandel hat, ist es jedoch zu früh.


Wird es bei den veränderten Bedingungen bleiben?

Die Intensität des Homeoffice wird dauerhaft zunehmen. Es wird jedoch nicht dazu führen, dass Teams ausschließlich digital vernetzt sein werden. Hier gibt es das klare Signal von Betrieben und Arbeitnehmern, dass ein nennenswerter Teil der Arbeit gemeinsam an demselben Ort stattfinden soll, auch mit Blick auf ein informelles, kreatives Zusammenwirken. Es wird also perspektivisch häufig die Option für Homeoffice geben, verbunden mit Zeitfenstern für die Zusammenkunft im betrieblichen Umfeld.

Die klassischen ‚blue collars‘ werden auf Sicht zumindest hellblau.

Prof. Dr. Werner Eichhorst 

Was braucht es, damit diese Zusammenarbeit funktioniert?

Die Corona-Krise hat bereits bestehende Tendenzen intensiviert. Darum ist es wichtig für das Gelingen der digitalen Zusammenarbeit, wenn sich die Teams bereits aus der analogen Welt persönlich kennen. Für Neueinsteiger in dieser Zeit ist es besonders schwierig. Zudem sollte die Arbeit zu Hause klar abgegrenzt sein, zeitlich wie räumlich. Das erfordert Selbstdisziplin. Und es braucht perspektivisch eine Lösung dafür, wenn parallel eine Betreuung der Kinder erfolgen muss. Denn dies bedeutet besonderen Stress für alle Beteiligten und am Ende werden beide Aufgaben vernachlässigt.


Welche Anforderungen gibt es dabei für die Führung?

Mit Blick auf die Führung von Mitarbeitern ist es ebenfalls von Bedeutung, dass die Beziehungen schon auf persönlicher Ebene bestehen. In dieser besonderen Situation ist es für Führungskräfte noch wichtiger als sonst, auch die individuellen (teils auch privaten) Umstände der Mitarbeiter zu berücksichtigen sowie gut und viel zu kommunizieren – auch bilateral. Das erfordert Lernprozesse auf beiden Seiten. Eine reine Kontrollorientierung stößt in diesem Modell an Grenzen. Vielmehr braucht es einen Vertrauensvorschuss. Dadurch kann sich die Beziehung zwischen Arbeitgeber und -nehmer verbessern. Unsere Befragungen zeigen, dass das vielen Unternehmen gut gelingt und dass sich die Arbeitnehmer gut unterrichtet fühlen.


Gibt es Besonderheiten für Unternehmen mit internationalen  Standorten?

Die Anzahl von Präsenzterminen wie Dienstreisen und Konferenzen ist natürlich zuletzt massiv zurückgegangen und wurde durch digitalen Austausch ersetzt. Die digitale Kommunikation ist auf ein höheres Niveau gerückt, was den Austausch erleichtert und intensiviert hat. Gerade international können sich Beziehungen zwischen Kollegen deutlich verbessern, wenn die Kommunikation den individuellen Umständen der Mitarbeiter Rechnung trägt.

Nichtsdestotrotz wird eine rein digitale Zusammenarbeit nicht funktionieren – gerade auch über Länder- und Kulturgrenzen hinweg. In manchen Situationen sind persönliche Treffen unerlässlich, v. a. für Neueinsteiger oder bei Positionswechseln. Denn der persönliche Austausch erlaubt eine zusätzliche Ebene der Kommunikation, beispielsweise in gemeinsam verbrachten Pausen.


In einem Produktionsunternehmen  können nicht alle von zu Hause arbeiten …

Homeoffice ist für etwa ein Viertel bis ein Drittel der Beschäftigten eine machbare Alternative. Aber auch die Arbeitssituation für Facharbeiter in der Produktion befindet sich im Wandel. Durch die fortschreitende Automatisierung wird das Tätigkeitsprofil sich ändern, sodass immer weniger Routinetätigkeiten anfallen werden, sondern verstärkt Tätigkeiten zur Steuerung, Überwachung und Innovation. Gerade in Deutschland bringen Fachkräfte die Qualifikationen mit, um auch solche komplexeren Aufgaben zu bewältigen. Die klassischen „blue collars“ werden auf Sicht zumindest hellblau.

Die Fachkräfte müssen sich daher in diese Beschäftigungsfelder hineinbewegen. Zugleich müssen die Unternehmen die entsprechende Weiterbildung sicherstellen und eine Transformation ihrer Geschäftsmodelle hinbekommen. Langfristig wird es nicht ausreichen, Arbeitsmodelle mit verkürzten Zeiten anzubieten, um dieser Entwicklung gerecht zu werden. Da ist Kreativität gefragt.